Heizen – CO2 – Sparen
© by Dr. Engin Bagda

Vorlauftemperatur - Heizkennlinie

Dr. Engin Bagda

 

Einführung

Die Raumtemperatur ist von der Vorlauftemperatur des Wärmeerzeugers und den Heizflächen abhängig. Mit steigender Vorlauftemperatur nimmt der Wirkungsgrad eines Wärmeerzeugers ab. Deshalb sollte für die gewünschte Raumtemperatur die Vorlauftemperatur so niedrig wie möglich sein.

Die Vorlauftemperatur von Brennwert-Heizungen und Wärmepumpen wird in Abhängigkeit der Außentemperatur mit der Heizkennlinie geregelt. Die Heizkennlinie wird werkseitig eingestellt und sollte bei der Installation des Wärmeerzeugers dem Gebäude angepasst werden. Die Einstellung der Heizkennlinie wird mit einem Sicherheitszuschlag gewählt, damit bei allen Wetterbedingungen keine Beschwerden wegen zu kalten Räumen gemeldet werden. Das kann aber dazu führen, dass die Vorlauftemperaturen höher sind als notwendig.

Zur optimalen Einstellung der Heizkennlinie, entsprechend den Gegebenheiten des Gebäudes und den Bedürfnissen der Nutzer der Räume sind im Internet mit den Stichwörtern „Heizkennlinie Einstellen“ und „Vorlauftemperatur einstellen“ Hinweise gegeben.

In diesem Aufsatz wird an einem Fallbeispiel die Heizkennlinie und die sich mit der Außentemperatur einstellenden Vorlauftemperaturen erklärt.

Zusammenfassung:

Auch ohne Kenntnis der Heizkennlinie kann die Vorlauftemperatur mittels des schrittweisen Änderns der zwei Parameter „Solltemperatur“ und „Steigung“, so eingestellt werden, dass bei möglichst geringer Vorlauftemperatur alle Räume über die Heizperiode eine komfortable Temperatur haben.

Bei Außentemperaturen unter 5 °C sollte die Einstellung der Steigung erfolgen.

Bei Außentemperaturen über 10 °C sollte die Einstellung der Solltemperatur erfolgen.

Bei einigen Heizungen wird die Solltemperatur über das „Niveau“ geregelt, das im Allgemeinen auf 20 °C aufaddiert oder subtrahiert wird. Es handelt sich um dasselbe Konzept mit einer anderen Benennung.

Nach jeder Einstellung sollte einige Tage abgewartet werden, bis die thermische Masse des Gebäudes in die neue Einstellung, in Abhängigkeit des Wetters, eingeschwungen ist.

Jede Einstellung sollte dokumentiert werden, damit bei unterschreiten der Komforttemperatur des Raumes die Einstellungen revidiert werden können (siehe Anhang 3).

 

Heizkennlinie

Die Heizkennlinie, auch Heizkurve genannt, zeichnet die Abhängigkeit der Vorlauftemperatur von der Außentemperatur ab (siehe Abbildung 1 und Anhang 1).

Abbildung 1: Heizkennlinien mit unterschiedlichen Steigungen S und Solltemperaturen Tsoll

Für die Einstellung einer optimalen Heizkennlinie ist zu empfehlen, die Solltemperatur und die Steigung schrittweise wie folgt zu verändern:

Die Solltemperatur Tsoll bestimmt die gewünschte Raumtemperatur am Anfang der Heizperiode. Bei Außentemperaturen höher als 10 °C wird vorzugsweise die Solltemperatur schrittweise gesenkt.

Mit der Veränderung der die Solltemperatur Tsoll findet eine Parallel-Verschiebung der Vorlauftemperatur mit der sich verändernden Außentemperatur statt.

In Abbildung 1 ist die blaue Linie mit Tsoll: 20 °C und die grüne Linie mit Tsoll: 18°C berechnet. Beide haben eine Steigung von S:1,8.

Die Steigung S reguliert mit fallender Außentemperatur die Vorlauftemperatur. Die Wärmeverluste eines Gebäudes sind näherungsweise proportional der Differenz der Raumtemperatur und der Außentemperatur (Tsoll-Taußen). Die Steigung ist der Faktor, der diesen Zusammenhang berücksichtigt. Wird die Steigung reduziert, steigt die Vorlauftemperatur mit abnehmender Außentemperatur langsamer und umgekehrt. Bei tieferen Temperaturen als 5 °C ist die Steigung die Größe, die die Vorlauftemperatur bestimmt.  

Die Steigung sollte bei Außentemperaturen unter 5 °C schrittweise eingestellt werden. Bei höheren Außentemperaturen als 10 °C hat die Steigung keine große Auswirkung auf die Vorlauftemperatur.

In Abbildung 1 hat die blaue Linie eine Steigung von 1,8 und die rote Linie eine Steigung von 1,2. Beide haben eine Solltemperatur von 20 °C.

Weitere Erklärungen zur Theorie und Berechnung der Heizkennlinie sind in Anhang 1 gegeben.

Übertemperatur

Zur Feststellung, ob eine Heizungsanlage eine „Übertemperatur“ hat, kann in einem oder mehreren Räumen die Thermostate für einige Stunden voll aufgedreht werden. Steigt dabei die Raumtemperatur wesentlich über die gewünschte Temperatur, hat die Vorlauftemperatur eine „Übertemperatur“ und sollte durch einstellen der Solltemperatur und Steigung reduziert werden.

Die Überprüfung der Heizkennlinie mit der „Übertemperatur“ ist bei Fußbodenheizungen bedingt zu empfehlen, da der Fußboden eine hohe Wärmekapazität hat und damit lange zum Aufheizen und später zum Abkühlen braucht. Deshalb ist bei Fußbodenheizungen zu empfehlen, ohne den Test mit der „Übertemperatur“, mit der schrittweisen Reduzierung von Steigung oder Solltemperatur die Heizkurve zu optimieren.

Bei der schrittweisen Einstellung der Heizkennlinie und damit der Vorlauftemperatur sollte nach jeder Veränderung der Solltemperatur oder Steigung einige Tage abgewartet werden, ob die Komforttemperatur der Räume beibehalten wurde. Diese Wartedauer ist notwendig, da Gebäude thermisch träge sind und es einige Tage dauern kann, bis die Raumtemperatur in Abhängigkeit des Wetters eingependelt ist. Dieser Vorgang wird so lange wiederholt, bis sich die Wohnung „klamm“ oder "zu kalt" anfühlt. In diesem Fall wird ein Schritt in Richtung der vorherigen Einstellung gemacht. Dieser Vorgang muss gegebenenfalls im Laufe der Heizperiode mehrmals wiederholt werden, wenn sich die Wetterbedingungen ändern. Eine Dokumentation der Einstellungen, wie in Anlage 3 dargestellt, ist zu empfehlen.

Wird die Solltemperatur bei Außentemperaturen unter 5 °C reduziert, kann es vorkommen, dass in der Übergangszeit, bei Außentemperaturen über 10 °C die gewünschte Raumtemperatur nicht erreicht wird (Überschneidung der grünen und roten Linie in Abbildung 1).  Der Einfluss der Veränderung von Solltemperatur und Steigung auf die Heizkennlinie kann mit dem Online-Heizungstool    httsp://heizkurve.sebastiandeppisch.de   simuliert werden.

Vorlauftemperaturen in der Praxis

Zum Prüfen der Heizkennlinie wurden im 5-Minuten Takt die Vorlauf- und Rücklauftemperaturen einer Brennwert-Gastherme sowie die Außentemperatur gemessen und in Abbildung 2 wiedergegeben. Wie erwartet, fällt mit steigender Außentemperatur die Vorlauftemperatur und diesem Folgt die Rücklauftemperatur. Die Differenz zwischen der Vorlauf- und der Rücklauftemperatur, die Spreizung, ist ein Indiz für den Gasverbrauch.

Bei Brennwertheizungen ist der Rücklauf die bestimmende Größe für den Einspareffekt (siehe Brennwertheizung-Wirkungsgrad - Heizen-Kühlen-Sparen ) und bei Wärmepumpen die Vorlauftemperatur (siehe Leistungszahl in  Lohnt sich eine Wärmepumpe - Heizen-Kühlen-Sparen ).

 

Abbildung 2: Vorlauf und Rücklauf Temperaturen einer Gastherme sowie die Außentemperaturen im Zeitraum vom 03.091.2025 bis 13.01.2025.
T außen:  Am Objekt gemessen.
T DA: Messwerte der Luftmessstation Darmstadt.

 

Die „Täler“ der Temperatur von Vorlauf und Rücklauf in Abbildung 2 resultieren aus der Nachtabsenkung von 22:00 bis 06:00 Uhr am nächsten Morgen.

In den Nächten mit Außentemperaturen unter 0 °C findet während der Nachtabsenkung eine kurze Aufheizung der Vorlauftemperatur statt. Das sind die kleinen Zacken in den „Tälern“

Die „Zacken“ der Vorlauftemperatur nach oben und zur selben Zeit der Rücklauftemperatur nach unten sind bedingt durch das Aufheizen des Warmwassers.

Die am Objekt gemessene Außentemperatur Taußen gibt die Temperaturverhältnisse bestehend aus Lufttemperatur und Wärmestrahlung der Umgebung wieder. In Abbildung 2 ist auch die normativ, an der Luftmessstation Darmstadt gemessenen Stundenmittel der Lufttemperatur (TDA) eingetragen. An sonnigen Tagen, überwiegend zur Mittagszeit, ist die am Objekt gemessene Außentemperatur höher als die an der Luftmessstelle Darmstadt gemessene.  

Die Temperaturen aus Vorlauf und Rücklauf aus Abbildung 2 sind in Abbildung 3, in Abhängigkeit der Außentemperatur, aufgetragen.  Es sind die Messpunkte zwischen 07:00 und 22:00 Uhr gewählt, um die Messpunkte wärend der Nachtabsenkung und Aufheizung nach der Nachtabsenkung zwischen 06:00 und 07:00 Uhr nicht zu berücksichtigen.

Abbildung 3: Vorlauf und Rücklauf Temperaturen einer Gastherme in Abhängigkeit Außentemperaturen (rot: Vorlauf, blau: Rücklauf)

Ergebnisse aus Abbildung 3

Die Vorlauftemperaturen streuen bei gleicher Außentemperatur bis zu 15 K. Das zeigt, dass die Heizkennlinie keine Linie, sondern in der Praxis eine langgezogene „Wolke“ ist. Wahrscheinlich hat auch die Pumpe in der Brennwerttherme, die das Wasser im Heizsystem umwälzt einen Einfluss auf die Vorlauftemperaturen, was hier nicht weiter vertieft werden kann. Deshalb sollte die Heizkennlinie in kleinen, dokumentierten Schritten von Steigung und Solltemperatur (Niveau) optimiert werden (siehe Fallbeispiel, Einstellen der Heizkennlinie - Heizen-Kühlen-Sparen).

Bei diesem Fallbeispiel hat die eingestellte Heizkennlinie eine Steigung von 1,8. Die grüne, experimentell ermittelte Trendlinie aus der der Praxis hat jedoch eine Steigung von etwa 1.  Der Grund dieses Unterschiedes wurde nicht geklärt. Das zeigt, dass weitere Parameter die Heizkennlinie beeinflussen.

Die unter den kumulierten Messpunkten gemessenen Vorlauftemperaturen sind die Zeiten der Temperaturabsenkung zwischen 11:50 und 12:00 (siehe Heizkosten sparen, Nachtabsenkung - Heizen-Kühlen-Sparen ).

Der Rücklauf und die Einsparung

Der Einspareffekt einer Brennwerttherme beruht darauf, dass der beim Verbrennen von Gas beziehungsweise Öl entstehende Wasserdampf am Rücklauf kondensiert und dabei den Rücklauf vorwärmt. Der Verlauf der Punkteschar der Messungen in Abhängigkeit der Außentemperatur zeigt, dass mit der Vorlauftemperatur auch die Rücklauftemperatur steigt. Mit steigender Rücklauftemperatur nimmt der Wirkungsgrad der Brennwertheizung ab, wie in Brennwertheizung-Wirkungsgrad - Heizen-Kühlen-Sparen erklärt. Deswegen ist das Ziel der Optimierung der Heizkennlinie das Reduzieren der Temperatur des Vorlaufs und damit Reduzierung der Temperatur des Rücklaufs.

Die Spreizung zwischen der Temperatur von Vorlauf und Rücklauf in Abbildung 3 ist ein Indiz für den Heizwärmeverbrauch, die aber auch von der Durchströmung der Heizkörper und damit von der Leistung der Umwälzpumpe der Heizung abhängig ist.

Ausblick

Bedingt durch die Streuung der Vorlauftemperatur in Abhängigkeit der Außentemperatur, sollte die Heizkennlinie schrittweise über eine Heizperiode in Abhängigkeit des Wetters eingestellt und dokumentiert werden. Hierfür ist das Formblatt in Anhang 3 empfehlenswert. Siehe auch https://youtube.com/watch?v=og8BYN69UbM&si=70CeGb7BxjoIHbmc

 

Anhang 1

Gleichung der Heizkennlinie

Die grundlegende Gleichung der Heizkennlinie, kann wie folgt formuliert werden:

TVorlauf = Tsoll + S ⋅ (Tsoll −Taußen)

TVorlauf: Temperatur des Vorlaufs das erreicht werden soll.

Tsoll: Ist eine Einstellung für die gewünschte Raumtemperatur. Diese muss gegebenenfalls höher, oder zum Einsparen von Heizenergie tiefer gestellt werden. Oft ist die Werkseinstellung der Heizungen Tsoll = 20 °C. Tsoll kann in manchen Heizungen direkt und bei manchen über das Niveau verändert werden, wobei das Niveau dann den voreingestellten 20 °C aufaddiert oder subtrahiert wird:  Tsoll= 20 °C + Niveau. Bei der Werkeinstellung ist im Allgemeinen das Niveau N=0. 

S: Die Steigung der Heizkennlinie ist eine Variable die angibt, wie die Vorlauftemperatur mit der Differenz von (Tsoll - Taussen) steigt. Die Steigung ist annähernd proportional dem Heizwärmeverbrauch und diese ist abhängig von den Wärmeübergangszahlen der Gebäudehülle nach DIN 4108 Teil 6 (siehe Energiebedarf Heizen nach DIN 4108-6 - Heizen-Kühlen-Sparen ).

Der Gasverbrauch des untersuchten Gebäudes in kWh/Tag ist in Abbildung 4 grafisch wiedergegeben. Hierfür wurden die Monatsmittelwerte des Gasverbrauchs gegen die  der Außentemperatur aufgetragen.

 

Abbildung 4:  Monatsmittelwerte des täglichen Gasverbrauchs in Abhängigkeit der Außentemperaturen im Zeitraum Oktober 2022 bis Dezember 2024

Die Steigung des Gasverbrauchs in Abhängigkeit der Außentemperatur ist, wie die Steigung der Heizkennlinie bei gut gedämmten Gebäuden, geringer als bei älteren Gebäuden mit hohen Wärmeverlusten.

Taussen: Außentemperatur, die mit einem Temperaturfühler gemessen und an die Heizung übermittelt wird.

k: Dieser Exponent berücksichtigt den, mit der Temperatur des Vorlaufs steigenden Wärmeübergang von Heizkörpern. k ist 1 oder kleiner als 1, wenn mit steigender Vorlauftemperatur die Heizkennlinie abflacht. Für die Zeichnung in Abbildung 1 wurde als k = 0,85 gewählt.

In dem hier untersuchten Fallbeispiel ist die eingezeichnete Trendlinie der Steigung in Abbildung 3 im Temperaturbereich zwischen 15 °C und -5 °C linear und damit k=1. Das ist auch in  https://www.ibp.fraunhofer.de/content/dam/ibp/ibp-neu/de/dokumente/ibpmitteilungen/1-400/201-300/245_IBPmitteilung.pdf beschrieben.

 

Anhang 2

Messung der Temperaturen

Die Vorlauf- und Rücklauftemperatur einer Brötje Heizung, Typ: WGBB 2B.15, Baujahr 2005 wurde bei verschiedenen Lufttemperaturen außen gemessen. Im Display der Heizung war während der Messungen für das Niveau N=0, für die Steigung S=1,8 und für die Maximaltemperatur Tmax: 55°C angegeben.  Der Wärmeübergang im Zweifamilienhaus (2 Etagen) mit 220 m² beheizter Fläche, findet mit Flachheizkörpern statt, die konvektiv und durch Strahlung Wärme abgeben.

Die Messungen wurden mit einem Arduino durchgeführt. Die Temperaturen wurden mit Sensoren von Dallas Semiconductors DS18B20 gemessen. Die Temperatursensoren wurden an den Vorlauf und Rücklauf der Heizung angebracht und thermisch isoliert (siehe Abbildung 5).
 

Abbildung 5: Messung der Vorlauf- und Rücklauftemperatur

Anhang 3

Formblatt zur Dokumentation der Einstellungen

Jede Änderung des Niveaus N und Steigung S sollte dokumentiert werden, damit nachvollzogen werden kann, wann die Optimale Einstellung für die gesamte Heizperiode gefunden wurde. Dabei kann folgendes Formblatt helfen:

Datum

Zählerstand

Solltemperatur
(Niveau)

Steigung
S

Raum-temperatur

Lufttemperatur
außen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Wird der Zählerstand auch notiert, kann zum Ende der Heizperiode der Einspareffekt abgeschätzt werden (siehe Heizkosten, Überprüfen von Sparmaßnahmen - Heizen-Kühlen-Sparen )

 

Danksagung

an Dr. Milan Dlabal für die Bereitstellung der Messeinrichtung mit dem Arduino und den DS18B20, sowie
an Dr. Oliver Ottinger für die Durchsicht des Schriftstücks, Anregungen und Korrekturen.